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Innovation braucht keinen Plan – sie braucht ein System

  • Autorenbild: Kerstin Eiselt
    Kerstin Eiselt
  • 19. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit

Es war wieder eine Fülle dieser Momente, in denen man spürt, dass sich etwas Grundlegendes verändert. Der Web Summit 2025 in Lissabon hat eines deutlich gemacht: Wir stehen nicht nur mitten im Zeitalter der künstlichen Intelligenz – wir stehen am Anfang einer neuen Ära der Zusammenarbeit, des Führens und des Denkens. Zwischen Keynotes, Panels und Gesprächen kristallisierte sich für mich eine zentrale Erkenntnis heraus: Die Zukunft gehört nicht den besten Strategien, sondern den besten Systemen – Systemen, die Innovation ermöglichen.

In einer Welt, in der KI den Takt vorgibt, reicht es nicht mehr, Teams für „Macher“ zu bauen. Wir müssen Systeme schaffen, die Menschen befähigen, kreativ, mutig und adaptiv zu handeln. Das erfordert ein radikales Umdenken in Führung, Teamdesign und persönlicher Haltung.


Vom Team zur Innovationsarchitektur

Mark Sandys, Chief Innovation Officer von Diageo, brachte es auf den Punkt: „Build a system of innovation, not a team for execution.“ Dieser Satz ist mehr als ein Schlagwort – er ist eine Führungsphilosophie.

Sandys zeigte eindrucksvoll, wie sich Diageo in zwei Innovationsströme aufteilt:


  • Core Innovation – das Team, das nahe an bestehenden Werten und Kundenbedürfnissen arbeitet, die „Cash Cow“ stabil hält und das Unternehmen kommerziell trägt.

  • Breakthrough Innovation – das mutige, kreative Team, das abseits des Bekannten denkt, experimentiert und Risiken eingeht, auf der Suche nach dem nächsten Star.


Das Entscheidende: Beide Teams brauchen ein gemeinsames Dach, ein System, das beides zulässt – Sicherheit und Mut. Das klassische „Command & Control“-Denken hat hier keinen Platz mehr. Leadership heißt heute, Räume zu schaffen, in denen Neues entstehen – und Altes losgelassen werden darf.


Die Rolle der Führung: Vom Management zum Mental Space

Innovation entsteht nicht durch KPIs oder Quartalsziele. Sie entsteht dort, wo Menschen sich sicher fühlen, ihre Ideen zu zeigen, Fehler zu machen und sich selbst neu zu entdecken.

Die Leadership-Expertin Amy Edmonson hat diese Einstellung als zentralen Faktor für agile und lernende Organisationen geprägt. In einer Zeit, in der Geschwindigkeit und Wandel unsere tägliche Realität sind, brauchen Teams weniger Management und mehr psychologische Sicherheit. Führung bedeutet heute, einen mentalen Safe Space zu schaffen – einen Ort, an dem Mitarbeitende experimentieren, spielen und lernen dürfen.

Das klingt einfach, ist aber die eigentliche Leadership-Herausforderung unserer Zeit: nicht führen, sondern ermöglichen.


KI als Spiegel

Maira Genovese, Gründerin & CEO von MG Empower, brachte es in Lissabon auf eine menschliche Perspektive: KI wird uns nicht ersetzen – sie wird unsere Fähigkeiten erweitern.

Genau das spürt man auf Events bei denen tausende Menschen zusammenkommen - nicht wegen der Technologie, sondern wegen der Verbindung – wegen echter Begegnung. KI ist kein Gegner, sondern ein Spiegel. Sie zeigt uns, was in uns steckt, und zwingt uns, die Frage zu stellen: Was bleibt menschlich, wenn alles automatisierbar wird?

Die Antwort liegt in Empathie, Kreativität, Intuition – in dem, was sich nicht berechnen lässt.


„Why“ vs. „How“

Javier Meza Rabayo, President & CMO Europe bei The Coca-Cola Company, formulierte es schlicht und kraftvoll: „Unser „Warum“ wird sich durch KI nicht ändern – nur unser „Wie“.

Dieser Satz beschreibt nicht nur den Wandel in globalen Marken, sondern auch den in uns selbst. Der Purpose – das Warum hinter unserem Tun – bleibt der Anker und gewinnt an Bedeutung. Was sich verändert, ist der Weg, wie wir dorthin gelangen.

Wir müssen lernen, neue Technologien nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Verstärker unseres Zwecks. Das bedeutet, offen zu bleiben, neu zu lernen und zu gestalten, anstatt zu reagieren. Und es fordert uns heraus, unser ‚Warum‘ zu hinterfragen, zu prüfen und neu zu definieren.


Was das für Leadership, Coaching & die Zukunft bedeutet

Ein spannender Moment auf dem Web Summit war die Frage von Kenneth Cukier, Deputy Executive Editor bei The Economist: „Wer wird in Zukunft schwerer zu managen sein – Menschen oder Agenten/Technologie?“ Die Antwort der Zuschauer und von Kenneth' Interviewpartner Michele Catasta, President & Head of AI bei Replit war eindeutig: Menschen.

Hier wird klar, weshalb Coaching an Bedeutung gewinnt. Nicht, weil Menschen komplizierter werden, sondern weil unsere Arbeitswelt komplexer. Während sich KI immer schneller weiterentwickelt und effizienter wird, braucht menschliche Zusammenarbeit einen stärkeren Fokus auf Bewusstsein, Kommunikation, Reflexion, emotionale Intelligenz.

Coaching unterstützt genau das:


  • Es stärkt unsere Fähigkeit, uns selbst zu führen, bevor wir andere führen.

  • Es hilft, mentale Flexibilität und Klarheit zu entwickeln, gerade in Zeiten des (technologischen) Umbruchs.

  • Und es macht Führung menschlicher, bewusster und adaptiver.


Gleichzeitig wird Coaching relevanter als Leadership-Stil. Moderne Führungskräfte müssen nicht alles wissen, sondern die richtigen Fragen stellen. Sie müssen Teams nicht führen, sondern begleiten. Sie müssen nicht kontrollieren, sondern ermöglichen. Coaching-Kompetenzen wie Zuhören, Reflektieren, Fragen stell

en, Räume öffnen, werden damit zu den zentralen Führungsinstrumenten unserer Zeit.

Selbst- und Fremd-Coaching kann nicht mehr als Add-on betrachtet werden, sondern als essenzielle Fähigkeit für Leadership im Zeitalter von KI. Wenn Technologie rationaler wird, müssen Menschen emotional intelligenter werden.


Fazit

Innovation entsteht nicht in PowerPoint-Strategien oder Produkt-Pitches, sondern in der Haltung, wie wir führen, lernen und miteinander umgehen. Die Zukunft gehört denjenigen, die es schaffen, Systeme des Vertrauens, der Kreativität und des Lernens zu bauen – nicht nur Prozesse der Effizienz.


🧠 Denkanstoß

Vielleicht geht es in Zukunft gar nicht mehr darum, innovativ zu sein. Vielleicht geht es darum, Räume zu schaffen, in denen Innovation unvermeidbar wird. Und vielleicht ist genau das die eigentliche Kunst des Führens im Zeitalter von KI.



 
 
 

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